Vor 30 Jahren - Aus der Mihlaer Ortschronik 

Vor 30 Jahren, vom Beginn des Jahres 1990 bis zum Ende dieses Jahres, vollzogen sich in Ostdeutschland heftige politische, wirtschaftliche, finanzielle sowie gesamtgesellschaftliche Umwälzungen. 

Mitunter änderte sich tagtäglich die Situation. Altes und Vertrautes ging verloren, Neues wurde mit viel Elan begonnen, neue Kräfte jeglicher Art entstanden und jeder neue Tag brachte aufregende Entwicklungen. 

Nach der „Friedlichen Revolution“ des Jahres 1989 ging es nun darum, den Osten Deutschlands, bald bildete sich die Bezeichnung der „Neuen Bundesländer“ heraus, entweder an die alte Bundesrepublik anzugliedern, oder ein neues Deutschland auf gleicher Augenhöhe zu schaffen. Gleichzeitig musste dieser Prozess der Wiedervereinigung, der wohl niemals ernsthaft in Frage stand, auch gegenüber den Großmächten besprochen und abgesichert werden. 

Damals wurde eine recht genaue Ortschronik in Mihla geführt. 

Wir wollen daher auf dieser Basis an wichtige Ereignisse von vor 30 Jahren erinnern: 

Der „Runde Tisch Mihla“ tagt. Vertreter unterschiedlicher Parteien und Gruppierungen sowie der Kirche haben sich daran gefunden, um die Arbeit der noch im Amt befindlichen Gemeindevertretung zu überwachen und eigene Gedanken einzubringen. 

Zur Sitzung am 28. Februar geht es um die Tätigkeit des MfS in Mihla sowie um Fragen von Ordnung und Sicherheit. Gefordert wird eine stärkere Präsenz der Polizei. Weiterhin werden die Wahlen zur Volkskammer am 18. März besprochen. 3 Wahlkreise sollen gebildet werden. 

Ab dem 1. März erscheint täglich eine neue unabhängige Zeitung, die „Eisenacher Tagespost“. 

Am 1. März 1990: Die Mihlaer Firma „Aufbau“ beginnt mit dem Abriss der alten Grundmühle. Bagger und Planierraupen vernichten die alte Mühle, die in den zurückliegenden vier Jahren durch unbedachte Rekonstruktionsversuche, durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse und Raub von Baumaterialien zur Ruine wurde. Viele Bürger meinen, „Schade!“ 


Blick in den „Honiggraben“, Zustand März 1990, aus dem Dokufilm der Gesamtschule Bad Bergzabern. 

Am 14. März findet im Saal der „Goldenen Aue“ eine Wahlversammlung der „Allianz für Deutschland“ statt. In der „Allianz“ haben sich die CDU, die DSU und der Demokratische Aufbruch in Vorbereitung der Volkskammerwahlen vom 18. März zusammengeschlossen. 

Über 150 Teilnehmer werden gezählt. Gäste der Bundes-CDU geben den Ton an, es kommt zu heftigen Diskussionen. 

Eine Delegation von Schülern und Lehrern der Gesamtschule Bad Bergzabern in Rheinland-Pfalz trifft in Mihla ein. Insgesamt 26 Schüler und drei Lehrer sind dabei. Diese Initiative geht auf persönliche Kontakte mit dem Lehrer Fritz Beck aus Oberotterbach zurück. Der erste Schritt zu einer bis heute bestehenden Partnerschaft ist damit gegangen. Die Schüler, die in Mihlaer Familien untergebracht sind, drehen einen Film über ihre Eindrücke in Mihla, der inzwischen zu einem historischen Dokument geworden ist. Ein buntes Programm vereint die Pfälzer und Mihlaer Schüler bis zum 18. März. Viele Freundschaften werden geschlossen. 


Das Obst- und Gemüseangebot im ehemaligen „Bachkonsum“ am 16. März 1990, Quelle Dokufilm. 

Die ersten freien Wahlen in der DDR seit 1946 bringen folgendes Ergebnis (Volkskammerwahlen): 

           CDU/DSU/DA > 48 Prozent

           SPD              > 22 Prozent

           PDS              > 16,3 Prozent

           LDPD            >    7 Prozent

           Grüne           >    3 Prozent 

 

    In Mihla: CDU:              68,2%     1195 Stimmen

                  SPD:              15,9%        271 Stimmen

                  PDS:                4,9%          86 Stimmen.

                  Grüne:             1,9%

                  Bündnis 90:      1,3%  

Kaum sind die Volkskammerwahlen vorüber beginnen die Vorbereitungen für die Kommunalwahlen. Sie sollen am 5. Mai über eine neue Gemeindevertretung bestimmen. Gerade die Kommunalwahlen der DDR 1989 hatten wegen Wahlbetrugs das Fass zum Überlaufen gebracht. 

Bis Mitte April müssen die Kandidatenliste für die 19 Sitze der Gemeinderäte abgeschlossen sein. Gleichzeitig soll ein neuer Bürgermeister gewählt werden.

Es treten folgende Gruppierungen an: 

Die CDU mit 19 Kandidaten

die SPD mit 11 Kandidaten

die Fraueninitiative mit 6 Kandidatinnen

die Listenverbindung LDP/Neues Forum/Linke mit 17 Kandidaten

die Unabhängigen Wähler (UWG) mit 13 Kandidaten. 

Insgesamt bewerben sich also 66 Kandidaten um die 19 Gemeinderatssitze!

Für den Bürgermeisterposten kandidieren fünf weitere Mihlaer, Bürgermeister Günther Nickol tritt nicht noch einmal an. 

Der nun folgende Wahlkampf ist sehr heftig. Plakate werden geklebt, abgerissen und überschmiert. Viele Emotionen werden ausgetragen und das Wahlergebnis wird mit großer Spannung erwartet. 


Blick in eines der drei Wahlbüros zur ersten freien Volkskammerwahl in der „Noch“- DDR am 18. März, Quelle Dokufilm. 

Dazu bald mehr… 

- Ortschronist Mihla -