Mihlas historischer Ortskern aus der Luft betrachtet 

Der Bau einer Stadtmauer war im Mittelalter nach Reichsgesetz einer Siedlung, die nicht über das Stadtrecht verfügte, strengstens untersagt. 

Größere Dörfer wie Mihla jedoch leisteten sich häufig eine umlaufende Holzbefestigung, mitunter auch mit kontrollierbaren Zugangstoren versehen. 

Schriftliche Mitteilungen aus dem 15. Jahrhundert sprechen von einer „Dorfmauer“, die den alten Mihlaer Ortskern umfasste und schützte. Sogar mehrere „Tore“ werden genannt, das Hirtstor, das Schultor und ein „steinernes Tor“ am Ende der Marktstraße, genau an jener Engstelle vor der Kreuzung Marktstraße - Hundsanger - Honiggraben, die noch heute bei den älteren Leuten „im Tor“ heißt. 

Da die Herren von Harstall in Mihla saßen wurden solche Befestigungen offensichtlich von der Obrigkeit geduldet. Notwendig waren sie auf jeden Fall. Sie kennzeichneten den Ortskern, bildeten die zu kontrollierende Dorfmarke und boten in den häufigen Kriegszeiten; Mihla lag so ungünstig an der Werra und alten Handelsstraßen, einen gewissen Schutz vor fremden Kriegsvolk. 

In diese Mihlaer Dorfbefestigung war jedoch nur das heutige „Oberdorf“ einbezogen. Ein weiterer Siedlungskern lag unterhalb der Kirche zwischen dieser, dem Anger und dem „Grauen Schloss“. Hier boten offenbar die herrschaftlichen Gebäude die notwendige Sicherheit. Ähnliches galt für den dritten Siedlungskern am anderen Ufer der Lauter um das „Rote Schloss“, den Bereich zwischen den Bauernhöfen am Bach, der Dietzelsgasse und dem Eisfeld. 

Diese Befestigung des Oberdorfes verlief oberhalb der Neustadtstrasse (Neue „Hofstätten“, eben außerhalb des alten Ortes), im rechten Winkel entlang des Honiggrabens (die Bezeichnung Graben verweist auch hier auf die alte Befestigung) bis zum „Tor“, um von dort über die rechte Seite des Hundsangers (Bezeichnung für eine Grünfläche außerhalb der Besiedlung), hinter dem Brauhaus bis zum Ölberg. In diesem Bereich sind die alten Mauerzüge, die wohl mit einer Holzpalisade zusätzlich geschützt waren, noch recht gut erkennbar. Am Ölberg dürfte sich eine weitere Pforte befunden haben. Weiter ging es oberhalb der Bachmühle und der „Badstuben“ bis zur Schlossgasse, um von dort rechtwinklig wieder bis zum Maueranschluss unterhalb des Pfarrberges zu stoßen. 

Diese alten Berichte sind in der Praxis der Bebauung heute kaum vorstellbar. Doch aus der Luft sieht so etwas ganz anders aus. 


(Eigene Aufnahme, 2010). 

Auf unserem Foto ist die durch die Mauer eingeschlossene Fläche gut erkennbar. Links grüsst das inzwischen abgerissene Bauernhaus Trabert/Böttger, rechts anschließend der alte Mihlaer Markt mit dem Straßenzug „Im Winkel“, einer ganz alten Straßenführung, die früher wohl eine Verbindung zur Mühlgasse hatte. Die alten Bauernhöfe entlang der Mauern mit ihren Gärten und Scheunen lassen sich gut erahnen. Immerhin lebten vor 500 Jahren in der gesamten ummauerten Fläche mehrere hundert Menschen. 

Die Ummauerung einer dörflichen Siedlung, Mihla erhielt ja nie das Stadtrecht, war sicher eine ganz besondere Ausnahme und ist wohl der Größe des Ortes und seiner Bedeutung als Marktort mit Münzrechten geschuldet. 

R. Lämmerhirt