Betriebe und Geschäfte in Mihla im Kaiserreich - Heimatgeschichte

Neben den Zigarrenfabriken arbeiteten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch zwei Brauereien im Ort. Dies waren die seit 1533 im Besitz der Harstalls befindliche Brauerei des Roten Schlosses (Standort Strasse „Hinter dem Brauhaus"), später dann in den Wirtschaftsgebäuden des Schlosses eingerichtet, sowie die Privatbrauerei Wieditz, im Bereich der heutigen Gaststätte „Zum Werrablick". Betriebe und Geschäfte in Mihla im Kaiserreich - Heimatgeschichte

Eine der ältesten Gasthöfe war der Gasthof „Zum Schwan“, an dem der Händler Böttger einen Kramladen (in der späteren Diele) betrieb.

Auch verschiedene Bauunternehmer hatten Geschäfte gegründet. 1880 gab es bereits vier (Wuth, Metzing, Moseberg, Schieck) sowie vier Steinbrüche (zwei im Besitz der Gemeinde, ein Steinbruch der Harstalls sowie ein weiterer im Besitz von L. Meyfarth). Diese Betriebe beschäftigten ebenfalls bis zu 50 Arbeiter. Als größtes Bauunternehmen entwickelte sich nach 1900 die Firma Schlothauer. 1914 hatte sie über 200 Beschäftigte und war damit der größte Mihlaer Betrieb dieser Zeit. Besonders schwierige Bedingungen hatten jene Arbeiter, die in Eisenach eine Anstellung gefunden hatten. Sie mussten täglich 28 Kilometer laufen und deshalb schon um 4.00 Uhr früh aus dem Haus, um dann erst gegen 19.00 Uhr zurückzukommen. 1880 gab es neben den etwa 80 vorrangig von der Landwirtschaft lebenden Familien bereits etwa 200 Familien, die in der Industrie untergekommen waren, sowie noch etwa 80 Handwerkerfamilien sowie mehrere Händler (drei Materialwarenhändler, ein Fischhändler, zwei Holzhändler, drei allgemeine Händler).

Der für die Bevölkerung wichtigste Händlerladen des Kaufmanns Böttger befand sich im Gebäude neben dem „Schwan". Auch die Handwerker stellten noch einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung. In jenen Jahren wurden drei Bäcker, drei Böttcher, zwei Drechsler, ein Korbmacher, drei Leinenweber, drei Maurer, vier Müller, ein Barbier,  zwei Fleischer, sechs Gastwirte, ein Sattler, ein  Schlosser, vier Schmiede, vier Schneider, sechs Schuster, vier Stellmacher, sieben Tischler, drei Tüncher und Dachdecker sowie zwei Zimmerleute, also insgesamt 63 Familien, genannt. Die für die Bewohner wichtigen Bäckereien befanden sich „am Anger" (Gemeindebäckerei, älteste erhaltene Backordnung aus dem Jahre 1767), auf dem „Münster" und „im Winkel". Neben den traditionellen Gasthöfen „Zum Mohren" und „Zum Schwan" war noch das „Deutsche Haus" (Grundstück Böhning, Eisfeldstraße) hinzugekommen. So genannte Restaurationen, Gaststätten ohne Übernachtung, waren mit den Gaststätten Stein, Wieditz (später „Werrablick"), Trabert (Marktstraße) und schließlich der „Goldenen Aue" entstanden.

Wichtig vor allem für die Bauern waren die Dorfschmieden, von denen sich eine am „Markt", eine „Am Anger" sowie zwei „Am Bach" befanden. Mit der Ernennung Heinrich Adam Böttgers (Neustadtstraße) zum Postkollektor in Mihla am 28.3.1860 durch die großherzogliche Regierung verbesserten sich auch die im Zeitalter der Industrialisierung so notwendigen postalischen Verbindungen. Schon 1866 erhielt die Poststube einen ersten Briefkasten. Betriebe und Geschäfte in Mihla im Kaiserreich - Heimatgeschichte

Handwerksbetrieb des Schusters Andreas Krug in der Münsterstraße.

 

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Unweit wurde eine Flaschenbierhandlung betrieben.

Für die Handwerker brachen mit dem Fortschreiten der kapitalistischen Entwicklung sehr schwierige Zeiten an. Ihre Geschäfte erwiesen sich bald als unrentabel und der Fabrikproduktion als nicht gewachsen. So schrieb die Eisenacher Zeitung am 23.7.1890: „Vor 20 Jahren befanden sich in Mihla wohl 50 und mehr Leute, welche durch Handwerkerei sich ihren Unterhalt zu beschaffen wußten. Maschinen haben die Handarbeit in den Hintergrund verdrängt. Schon seit Jahren gibt es keine Lehrlinge mehr. Viele junge Leute wollen das Handwerk verlassen, finden aber keine Arbeit."

Als besonders hart wurde der Rückgang der traditionellen Weberei empfunden. Sie erlag den mechanischen Webstühlen. Auch Versuche der in Eisenach ansässigen Firma C. Neuhaus und Söhne, eine von hoher Qualität getragene „altdeutsche Weberei" von Decken zu beleben, waren nur von kurzer Dauer.

R. Lämmerhirt

Mihla,15.03.2011 ?