1942 Stalingrad 

Die Erinnerung an die Schlacht um Stalingrad vom Sommer 1942 bis zum Februar 1943, also vor 80 Jahren, ging durch die täglichen Meldungen zum Krieg Russlands in der Ukraine beinahe völlig unter. 

Dieses Ereignis, welches nicht nur eine entscheidende Wende im Verlauf des Hitlerkrieges gegen die restliche Welt einnimmt, sondern hunderttausenden Menschen unendliches Leid brachte, sollte jedoch nicht vergessen warden. 

Wir schauen daher aus Anlass dieser Schlacht um Stalingrad und des Untergangs der 6. Armee und der mit ihr im Kessel eingeschlossenen Truppen auf die Mihlaer Chronik. 

Was erfuhren unsere Väter und Großväter, Mütter und Großmütter, damals über dieses Ereignis? 

In den letzten Wochen des Jahres 1942 verdichten sich die Meldungen von schweren Kämpfen um die russische Stadt Stalingrad. Die Besorgnis vieler Mihlaer wächst, denn dort kämpft auch das Eisenacher Panzerregiment sowie die am “Ludendorffwall” (heute Thälmannstraße) in Garnision liegende Panzeraufklärungsabteilung, in denen etliche Mihlaer dienen. 

Das Jahr 1942 geht mit einem starken Wintereinbruch zu Ende. Bisher sind bereits über 20 Mihlaer gefallen, einige sind vermisst, wie der Pfarrer Mitzenheim feststellte… 

Die Stalingrader Pferde 

Im Kessel von Stalingrad waren nach Schätzungen deutscher Militärs auch etwa 150.000 Pferde vorhanden. Ende Oktober 1942 hatte General Paulus festgelegt, dass die während der Kampfhandlungen in der Stadt nicht direkt benötigten Pferde der 6. Armee etwa 200 Kilometer südlich von Stalingrad in einem sogenannten “Pferdeerholungspark” zusammengezogen werden sollten. 

Aus der Erholung für die Tiere wurde nichts, denn drei Wochen später entstand der Kessel von Stalingrad und die 6. Armee und auch ein großer Teil der Pferde waren eingeschlossen. 50 000 von ihnen standen schließlich der 6. Armee zur Verfügung und stellten in den nächsten Wochen eine wichtige Ernährungsgrundlage für das Leben der Eingeschlossenen dar. 

Über die Herkunft einiger dieser Pferde konnte vor einigen Jahren Herr Rudi Bätzel aus Mihla Auskunft geben: 1940 war in Mihla eine Pferdemusterung erfolgt. Damals wurden Dutzende Mihlaer Pferde von der Wehrmacht requiriert. Die meisten kamen nach Kriegsbeginn 1941 im Osten zum Einsatz. 


Folgende Pferde sind abgebildet: Von Links zwei Pferde von Ernst Kirchner, jeweils ein Pferd von Emil Schütz und von der Firma Schlothauer, Pferde von Adam Meyfarth und Ernst Cott, zwei Pferde vom Rittergut der Harstalls und zwei Pferde aus Lauterbach. In der Mitte hat sich Ludwig Bätzel abbilden lassen. 

Die Mihlaer Pferde haben die Kämpfe sicher auch nicht überlebt, denn keines von ihnen kehrte zu den Eigentümern zurück. 

Zurück zu den Ereignissen in Mihla: Das Winterhilfswerk organisiert Ende Januar 1943 einen bunten Unterhaltungsabend im Saal der “Goldenen Aue”. Ablenkung vom Tagesgeschehen sollte damit erfolgen, aber die Gedanken vieler Teilnehmer sind wohl in Stalingrad. Von dort werden die Meldungen über die Lage der Eingeschlossenen immer dramatischer. 

Mit gespenstischem Schrecken werden die Nachrichten vom Untergang der 6. Armee in Stalingrad Anfang Februar 1943 aufgenommen. Rundfunk und Presse berichten, dass die Armee bis zum letzten Mann gekämpft habe. Es gäbe keine Überlebenden. Viele Mihlaer müssen mit der Ungewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen für lange Zeit leben. 

Mit der Verkündung des “Totalen Krieges” durch Reichspropagandaminister Goebbels änderte sich das bis dahin schon schwierige Leben weiter. 

Anfang Februar 1943 wurden alle Unterhaltungslokale geschlossen, ebenso alle nicht unmittelbar kriegswichtigen Betriebe. Die dort Beschäftigten wurden an Rüstungsbetriebe überstellt. Männer bis 65 Jahre und Frauen bis 45 Jahre konnten mit sofortiger Wirkung zum Einsatz in der Kriegsindustrie verpflichtet werden. 

Erneut wurden viele Mihlaer zur Wehrmacht eingezogen, auch bis dahin “unabkömmlich” (UK) gestellte erhielten nun den Einberufungsbefehl, meist zur Ostfront. 

Ende April 1943 zog Pfarrer Mitzenheim in der “Kriegschronik” im Kirchenbuch eine bisherige Bilanz des Krieges. 

Danach waren bis zu diesem Zeitpunkt 372 Männer aus Mihla zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen, davon waren bereits 29 gefallen, 2 im Einsatz verstorben und 16 vermisst! Die Einwohnerzahl betrug zum gleichen Zeitpunkt 2456. 

Einen Monat später hatte sich die Zahl der Gefallenen bereits auf 35 erhöht. 

In Lauterbach waren bei 500 Einwohnern 105 (!) Männer eingezogen, 8 gefallen und zwei vermisst. 

Anfang Mai 1943 erhielten die Jahrgänge 1884 bis 1894, also Männer, die bereits mindestens 50 Jahre alt waren, den Befehl zur Meldung in den Wehrersatzabteilungen. 

Bis zum Kriegsende im Mai 1945 sollte sich die Zahl der Gefallenen allein aus Mihla auf 162 erhöhen! 

- Rainer Lämmerhirt -