Vor 30 Jahren - Aus der Mihlaer Ortschronik Teil 2

Vor 30 Jahren, vom Beginn des Jahres 1990 bis zum Ende dieses Jahres, vollzogen sich in Ostdeutschland heftige politische, wirtschaftliche, finanzielle sowie gesamtgesellschaftliche Umwälzungen.

Mitunter änderte sich tagtäglich die Situation. Altes und Vertrautes ging verloren, Neues wurde mit viel Elan begonnen, neue Kräfte jeglicher Art entstanden und jeder neue Tag brachte aufregende Entwicklungen.

Nach der „Friedlichen Revolution“ des Jahres 1989 ging es nun darum, den Osten Deutschlands, bald bildete sich die Bezeichnung der „Neuen Bundesländer“ heraus, entweder an die alte Bundesrepublik anzugliedern, oder ein neues Deutschland auf gleicher Augenhöhe zu schaffen. Gleichzeitig musste dieser Prozess der Wiedervereinigung, der wohl niemals ernsthaft in Frage stand, auch gegenüber den Großmächten besprochen und abgesichert werden.

Damals wurde eine recht genaue Ortschronik in Mihla geführt.

Wir wollen daher auf dieser Basis an wichtige Ereignisse von vor 30 Jahren erinnern:

Gleich nach der Volkskammerwahl am 18. März begannen auch in Mihla die Vorbereitungen für die Kommunalwahl. Noch war der im Vorjahr unter DDR-Verhältnissen gewählte Gemeinderat und der Bürgermeister im Amt. Die Kommunalwahlen sollen am 6. Mai durchgeführt werden.

Dazu bildeten sich nun neue kommunale Ortsgruppen der großen Parteien und auch Wählergruppen stellten ihre Kandidatenlisten auf. Die erste Liste wird noch am 31. März von der damaligen CDU-Ortsgruppe aufgestellt. 19 Kandidaten werden nominiert und auch ein Bürgermeisterkandidat erhält das Vertrauen der Anwesenden. In den nächsten Tagen folgen die Versammlungen der SPD, der Fraueninitiative und der Unabhängigen Wählergemeinschaft UWG. Die SPD tritt mit 11, die Fraueninitiative mit 6, die UWG mit 13 Kandidaten an. Das Neue Forum, die LDP und die DBD beschließen eine gemeinsame Liste mit 17 Kandidaten.

Insgesamt sind dann 66 Anwärter für die zu vergebenden 19 Sitze im Gemeinderat aufgestellt.

5 Anwärter auf das Bürgermeisteramt werden benannt, Bürgermeister Günther Nickol wird nicht wieder antreten. 

Mitte April wird das Osterfest gefeiert. Erstmals ist der Ostermontag wieder Feiertag. Das Wetter ist denkbar schlecht. Kälte und Schneeregen verhindern allerdings nicht eine Reisewelle aus den westlichen Bundesländern, so aus Hessen. Die Neugier treibt wohl viele Menschen zu den freien Tagen über Ostern in den Osten. Im „Grauen Schloss“ „werden Sie platziert…“ Noch ist die Angleichung der Währung nicht geregelt…

Ende April besuchen Vertreter der hessischen Gemeinde Waldkappel Mihla. Es soll eine Partnerschaft entstehen. Ins Mihlaer Rathaus sind zu einer Begegnungsrunde die Vertreter aller Gruppierungen eingeladen, die sich zur Kommunalwahl stellen.

Am 26. April tagt der DDR-Gemeinderat letztmalig. Bürgermeister Günther Nickol zieht Bilanz:

Es gab 11 Sitzungen, 20 Gewerbeanträge wurden erteilt, 10 weitere liegen noch vor. Es gäbe 55 zugelassene Gewerbe im Ort. Die Partnerschaften mit Oberotterbach, Otterbach und Waldkappel seien beschlossen worden und der Haushaltsplan sei auf Grundlage des Planes 1989 aufgestellt, wobei vorsorglich festgestellt sei, die Gelder nur bis 60 Prozent auszugeben.

Ungeklärt sei die Situation in der „Goldenen Aue“, da der Wirt gekündigt habe. Beschlossen wurde die Öffnung des Freibades und eine Erhöhung des Eintrittsgeldes von bisher 50 (DDR-) Pfennigen auf 1 Mark je Besucher.

Am 30. April findet im Mihlaer Rathaus die vorletzte Sitzung des „Runden Tisches“ statt. Nochmals werden strittige Fragen diskutiert, so der Bauantrag eines Bürgers der BRD für ein Grundstück am Weinberg, Sicherheitsfragen, der Ausbau der Polizeistelle Mihla und weitere Anträge aus der Bürgerschaft. Festgelegt wird, dass die letzte Sitzung auf dem Saal der „Goldenen Aue“ stattfinden soll. Bei dieser öffentlichen Sitzung sollen sich die Kandidaten für die Wahl vorstellen können.

  1. Mai 1990: 100 Jahre Maifeier, aber keine Feststimmung. Erstmals gibt es keine „Demonstration“ im Ort. Alles verläuft ruhig und besinnlich. Viele Mihlaer arbeiten bei endlich schönem Wetter in ihren Gärten.

Inzwischen hat sich eine Plakatflut für die Wahl breitgemacht. Es gibt wohl im gesamten Ort keine freie Klebefläche mehr.  

Am 2. Mai werden in Berlin und Bonn die Modalitäten für den Geldumtausch am 2. Juli 1990 bekanntgegeben:

Löhne, Gehälter, Mieten und Renten werden im Verhältnis 1:1,

Spareinlagen und Bargeld für jeden Erwachsenen je 4.000 Mark 1:1

Für Kinder bis 14 Jahren je 2.000 Mark ebenfalls 1:1,

für Personen ab 60 Jahren je 6.000 Mark 1:1 getauscht,

alles darüber hinaus im Verhältnis 1:2.

Bei strahlendem Wetter finden die ersten demokratischen Kommunalwahlen statt. Es wird in den Wahllokalen Alte Schule, Rentnertreff und Schwan gewählt.

Die Wahlbeteiligung liegt bei 74 Prozent.

Folgende Ergebnisse:

CDU                          2.362 Stimmen = 54,2 Prozent = 10 Abgeordnete

DBD/NF/LDP              461 Stimmen = 10,6 Prozent = 2 Abgeordnete

Fraueninitiative            378 Stimmen =   8,7 Prozent = 2 Abgeordnete

SPD                              490 Stimmen = 11,3 Prozent = 2 Abgeordnete

UWG                            664 Stimmen = 15,2 Prozent = 3 Abgeordnete 

Als Bürgermeister gewählt wird Herr Siegfried Kaerger für die CDU-Liste.

Am gleichen Sonntag findet der 1. Werralauf statt. Um 9.30 Uhr erfolgte der Start am „Grauen Schloss“, es gab 27 Teilnehmer. Gelaufen wurde eine 19 Kilometer-Strecke. Der Pokal wurde vom „Lauf-Laden Kasel“ gestiftet. Ihn gewann Dr. Michael Ecke aus Eisenach, zweiter wurde der Mihlaer Volker Schmidt. Als Hauptorganisator trat die damalige BSG Mihla um den Vorsitzenden Klaus Wagner auf.

Weitere Erinnerungen an eine schon „beinahe vergessene Zeit“, demnächst, im Monat Mai in dieser Zeitung!

- Ortschronist Mihla -