Neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte unseres Ortes Mihla - Mihla könnte sich aus zwei Ansiedlungen heraus entwickelt haben - Teil 2 

Im ersten Teil unserer Betrachtungen hatten wir herausgearbeitet, dass sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts zwei Siedlungskerne in unserem heutigen Ortsbild entwickelt haben könnten. Einmal die zum Rittersitz der Kemenate in der Werraniederung (heute „Graues Schloss“) gehörende bäuerliche Siedlung, und ein Siedlungskern der vom Tafelgut der Erzbischöfe von Mainz abhängigen Bauern und des Gesindes. 

Für unsere weiteren Betrachtungen wenden wir uns nun dem eigentlichen Kernstück des Güterverzeichnisses, dem Wirtschafts- oder Fronhof zu. 

Wo könnte ein solcher Wirtschaftshof, zu dem 7 1/2 Hufen Ackerland gehörten und weitere 40 Hofstätten abgabepflichtig waren, im heutigen Ortsbereich gelegen haben? 

Vermutungen über die Lokalisierung dieses Mainzer Wirtschaftshofes konzentrieren sich auf zwei Gebiete. Einmal wurde immer wieder das Gelände des heutigen „Grauen Schlosses“ angenommen. Dort erhob sich, wie wir seit den Forschungen von Raymund Falk und Paul Botzum wissen[1], die „Kemenate?, eine als Wasserburg in der Niederung der heutigen Lauter und dem Mündungsbereich dieses Flusses in die Werra gut geschützte Burganlage, die wir als Sitz der adligen Familien in Mihla ansprechen. Aus unserer Sicht überwogen bei diesem Standort immer die befestigungstechnischen Aspekte. 

Als zweiter Standort vermutete ich den Bereich des heutigen „Roten Schlosses“. Dazu stand lange im Widerspruch, dass die Schlossgebäude erst nach dem Jahre 1581 erbaut worden sind. Diese Jahreszahl steht noch heute über dem Hauptportal des Schlosses auf einem antik nachempfundenem Fries mit namentlichen Abkürzungen, die als Namenszeichen des Bauherren oder des Baumeisters angesehen werden.[2] Bis 1945 kam noch eine Porträtplastik des Erbauers des Schlosses, Hans David von Harstall aus der älteren Mihlaer Linie hinzu. Diese Figur wurde jedoch in den Tagen nach dem Einmarsch der US-Streitkräfte im April 1945 von den Soldaten der im Schloss einquartierten Einheit mutwillig zerschossen. 


Eingangsportal zum Hauptgebäude des „Roten Schlosses“ aus der Entstehungszeit um 1581 mit der Büste des Erbauers Hans David von Harstall, Fotografie um 1910, Ortsarchiv Mihla. 

Diese Sicht, dass das „Rote Schloss“ um 1581 nicht neu errichtet wurde, sondern auf einer älteren Siedlungsfläche wieder erbaut wurde, setzte sich lange Zeit in der Regio-nalforschung nicht durch, obwohl doch gleich mehrere Fakten dafür sprechen, dass an dieser Stelle durchaus ein älterer Wirtschaftshof existiert haben könnte. 

Zum Einem die Lage. Ein Wirtschaftshof sollte im damaligen Ackerland gelegen sein, da seine landwirtschaftlichen Aufgaben gegenüber jenen der Ausübung von Herrschaft und der militärischen Sicherung überwogen haben. Dies war im Bereich südlich der „Mihla? gegeben, hier befanden sich die unmittelbar an die Flussaue anschließenden Ackerböden, die schon lange waldfrei waren bzw. in dieser Zeit durch Rodung hinzugewonnen wurden (z.B. Hainberg). Mehrere Hinweise auf in diesem Areal bestehende frühmittelalterliche Kleinsiedlungen machen deutlich, dass schon immer Menschen hier siedelten und dann mit der Herausbildung des Mainzer Wirtschaftshofes einen neuen Mittelpunkt fanden.[3] 

Das Gebiet war wasserreich (noch heute entspringen dort zahlreiche Quellen, bis um 1900 hatte das „Rote Schloss“ einen eigenen Brunnen direkt vor der Toreinfahrt) und lag zudem nur wenige Meter vom Wasserlauf der Mihla (Lauter) entfernt. 

Trotz dieser wirtschaftlich günstigen Lage brauchte ein Herrschaftshof auch nicht auf militärischen Schutz zu verzichten. Noch heute ahnt man, dass das eigentliche Herrenhaus des „Roten Schlosses“ auf einem Hügel liegt. Sicher waren zum Flusslauf hin und nach Süden Gräben und umlaufende Holzpalisaden vorhanden, so dass man vor jeder Überraschung sicher war. 

Zum anderen veränderte sich mit der Entstehung des Mainzer Wirtschaftshofes die eben beschriebene Siedlungssituation. Der Hof wurde zu einem der frühen Ortskerne von Mihla. Wir gehen davon aus, dass er mit der Durchsetzung der Mainzer Herrschaft in der Region entstand, also durchaus einige Jahrzehnte vor der Erwähnung von 1247/48 in der Mainzer Heberolle. 

Möglich ist jedoch auch, dass auch Mainz sich bereits auf einen früheren Hof der Klöster Fulda und Hersfeld stützte, deren Besitzungen in Mihla ja schon aus früherer Zeit bekannt sind und die vielleicht ebenfalls über einen damals üblichen Meier- oder Fronhof verfügten. Letztlich könnten nur Grabungen im Bereich des „Roten Schlosses“ abschließende Klärung erbringen. 

Um diesen Hof siedelten sich die abhängigen Bauern an, jene Bauernfamilien, die Dienste und Abgaben an Mainz zu leisten hatten und der Rechtsprechung des Vogtes unterlagen. Leibeigene, Knecht und Mägde, dürften, wie allgemein üblich, direkt auf dem Hof gelebt haben. 

Lämmerhirt
Mihla 

Fortsetzung folgt

[1] Raymund Falk stieß bei seinen Forschungen auf eine Mainzer Urkunde, in der ein Weistum des Gerichts zu Mihla für das Jahr 1367 festgehalten wurde. In diesem Text wurde eine Kemenate der Herren von Mihla erwähnt. Paul Botzum versorgte die im Text genannten Bezeichnungen mit den nötigen lokalen Hinweisen.

[2] Vgl. Lämmerhirt, Rainer, Adelsfamilien, Burgen und Schlösser in der Hainichregion, Bad Langensalza 2013, S. 171.

[3]  So wurden beim Bau des Wohngebietes „Bei der Lehmgrube? archäologische Hinweise auf eine dort bestehende Kleinsiedlung gefunden. „Auf dem Eisfeld? sind in den 20er Jahren und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts weitere Funde, einschließlich von Grablegungen, gemacht worden und die im 14. Jahrhundert als „wüst? gemeldete Siedlung Kesselgewelk wird ebenfalls in diesem Bereich vermutet. Vgl. hierzu: Botzum, Paul, Lämmerhirt, Rainer, Wüstungen im Hainichgebiet, 3.bearbeitete Auflage, Bad Langensalza 2005, S. 56ff.