Die "goldenen Zwanziger" - Mihla 1926 - 1928
 
 
Die seit 1924 auch im Werratal spürbare Stabilisierung im wirtschaftlichen und politischen Bereich setzte sich auch in diesen Jahren weiter fort. Dies kam in vielerlei Hinsicht zum Ausdruck. In Mihla wurden die seit dem Wasserleitungsbau 1923 arg in Mitleidenschaft gezogenen Straßen allmählich in Ordnung gebracht. Bis 1927 erhielten die Münster-, Pfarrmünster- und die Eisfeldstraße eine wasserabweisende Straßendecke, 1927 begann die Eisenacher Baufirma Enke mit der Pflasterung der Bahnhofstraße. Dazu mußte die Gemeinde allerdings einen Kredit in Höhe von 20.000 RM aufnehmen.
 
Nach langer Auseinandersetzung verbesserten sich auch die Straßenverhältnisse auf der Staatsstraße Eisenach- Mühlhausen. Im Oktober 1927 konnte bereits der erste Linienbusverkehr zwischen den Städten Eisenach und Mühlhausen eröffnet werden.
 
Auch die Wohnverhältnisse und damit die Lebensbedingungen insgesamt verbesserten sich. Die ersten "Neubauten" in Mihla, Typenhäuser im Reihenhausstil, wurden von der 1926 begründeten Wohnungsbaugenossenschaft "An der Teichwiese" in Angriff genommen (heute Schulstraße, Wiesenstraße, Rosenallee, Am Cuxhof). Der Drogist Willi Thomas begann den Bau eines siebenstöckigen "Hochhauses" auf der Mauer im Honiggraben, dem höchsten Wohnhausbau in Mihla, in dem er seine moderne Drogerie mit Badeanstalt einrichtete.
 
Auch in anderen Bereichen ging es nun besser voran. Endlich sprach sich die schon lange erhoffte Meldung herum: Die neue Sodafabrik in Buchenau stand kurz vor ihrer Eröffnung. Im Oktober 1927 war es dann wirklich so weit, 80 Mihlaer bekamen in Buchenau eine Anstellung. Zur gleichen Zeit erlebte die Zigarrenindustrie eine neue Konjunktur. Vorbei war die Zeit der Kurzarbeit.
 
Neue Aufträge gab es auch für die Mihlaer Baubetriebe. Besonders die Firma Schlothauer stellte neue Arbeitskräfte ein und eröffnete weitere Steinbrüche im Mihlaer Tal und am Pfarrkopf im "Wolfsgarten". Aus der Werra wurde KiSeit 1925 stellte die SPD die Mehrheit im Gemeinderat und auch den Bürgermeister. Angriffe von den bürgerlichen und rechten Oppositionskräften blieben nicht aus. Diese erreichten ihren Höhepunkt, nachdem Bürgermeister Friedrich Märten Ende des Jahres 1927 wegen Unterschlagung von Gemeindegeldern verhaftet worden war. Das nachfolgende Jahr brachte daher viel Aufregung nach Mihla: Einwohnerversammlungen der einzelnen Parteien, unzählige Presseartikel über die "Vorgänge in Mihla", die nicht dem Fehlverhalten einer Person, sondern der gesamten SPD angelastet werden sollten, und schließlich der Versuch, durch Gemeindeentscheid (in der Thüringer Verfassung vorgesehen) die Neuwahl des Bürgermeisters vorfristig zu erreichen. Der Ton bei diesen einzelnen Vorgängen wurde zunehmend rüder, hier wurde in Mihla bereits der Umgangston der frühen 30er Jahre vorgeholt. Das gipfelte in den Versprechen, "... den roten Spuk in Mihla nun bald ein Ende zu machen und saubere Verhältnisse zu erreichen."
 
Am 16. Februar 1928 fand der entscheidende Urnengang statt. Von 1368 Stimmberechtigten waren 607 dem Aufruf zum Gemeindeentscheid der bürgerlichen und rechten Kräfte gefolgt. Unter diesen abgegebenen Stimmen gab es noch 60 "Nein"- Stimmen sowie 10 ungültige Stimmen. Damit war klar, eine vorfristige Veränderung des Gemeinderates und eine Neubesetzung des Bürgermeisterpostens würde es nicht geben, die SPD behielt die Mehrheit und damit auch den entscheidenden Einfluß auf die Neuwahl des Bürgermeisters. Dabei gelang der Orts- SPD ein guter Griff: Der Landrat a.D. Hörschelmann, ein tatsächlicher Verwaltungsspezialist, konnte gefunden werden. Seit 1928 wirkte er recht segensreich für das Gemeindewohl.
 
Politische Turbulenzen blieben von nun an auf der Tagesordnung. Die Zeit der Stabilisierung, die tatsächlich nur für kurze Zeit eine Beruhigung gebracht hatte, ging ihrem Ende entgegen. Schon die Landtagswahlen von 1927 zeigten dies: die Regierungsbasis zerbröckelte, erstmals saßen 2 NSDAP- Abgeordnete im Landtag. Von 1927 bis 1929 traten dreimal Thüringer Regierungen zurück und erneut vorgezogene Landtagswahlen im Dezember 1929 signalisierten den beginnenden Aufstieg der Nazis, die ihre Abgeordnetenzahl verdreifachen und 1930 mit 2 Ministern in die neue rechte Landesregierung einziehen konnten.
 
Gleichzeitig erreichten erste Nachrichten vom Börsenkrach in New York Deutschland. Als das Jahr 1929 zu Ende ging, waren die Zeichen für die Zukunft nicht gut.