Gab es in Mihla im Mittelalter eine jüdische Gemeinde? 

Seit Jahrzehnten gibt der Geschichts- und Denkmalverein der Stadt Mühlhausen eine jährliche Schrift zu historischen Forschungen heraus. Im Heft 34 des Jahres 2011 beschäftigte sich die Erfurter Historikerin Maike Lämmerhirt mit dem Thema „Jüdisches Leben im mittelalterlichen Mühlhausen (S.73ff.) 

Sie weist danach die Existenz einer recht großen jüdischen Gemeinde in der Freien Reichsstadt schon lange vor dem Katastrophenjahr 1349, dem Pestjahr, in dem in Thüringen die jüdischen Gemeinden für die Pestwelle verantwortlich gemacht und weitgehend vernichtet wurden, nach. 

Nach diesem Rückschlag siedelten sich rasch wieder neue jüdische Familien in Mühlhausen an. Sie fanden in den zahlreichen Gewerben der Stadt und im Bankwesen ihr Einkommen und waren aufgrund ihrer Verbindungen zu anderen Städten und sogar Ländern bald gern gesehen. Das Vorhandensein einer jüdischen Gemeinde lässt auf einen intensiven Handel in der jeweiligen Siedlung schließen. 

Interessant ist nun, dass Maike Lämmerhirt anhand alter Ratsaufzeichnungen die Personen- und Familiennamen der jüdischen Familien untersucht. Damals war es wegen noch fehlender Familiennamen üblich, den Herkunftsnamen der Familie zur Unterscheidung anzugeben. Bei jüdischen Familien stößt man dann auf weitere Orte, aus denen jüdische Bürger nach Mühlhausen zogen. 

So werden nach 1373 über mehrere Jahre die Ortsnamen Alfeld, Kassel, aber auch Nord-hausen, Heldrungen, Gotha, Gelnhausen, Hersfeld, Eisenach oder Treffurt genannt (Vgl. Germania Judaica, Bd. 3, Hrsg von Arye Maimon, Mordecha Breuer und Yacov Guggenheimer, Tübingen, 1987-2003 sowie M. Lämmerhirt, Ebenda, S. 80f.). 

Neben den Nennungen von Orten, aus denen jüdische Gemeinden bekannt sind, ist neben Treffurt auch der Herkunftsname „von Mihla“ bekannt. Natan, Heilmann, Abraham, Joselin, Semiel von Mihla sowie Semiels Sohn Isaac sind als Kreditgeber mehrfach seit 1873 aufgeführt (Vgl. auch Groth, Hugo, Familien- und Personennamen, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter, 25/26, S. 166ff.). 

Kein Zweifel, diese Gruppe jüdischer Bankiers kam aus unserem Ort Mihla!  Eine völlig neue Sicht, die durch bisher bekannte Urkunden und Schriften aus unserem Ort oder anderen Veröffentlichungen nicht bekannt war! 

Eine Jüdische Gemeinde in Mihla im 14. Jahrhundert sollte also für die Zukunft genauer beachtet werden. Unmöglich erscheint dies nicht, denn Mihla war in dieser Zeit ein Ort mit Marktgerechtigkeit, es existierte eine Münzstätte, mit der St. Martinskirche war eine für die Region wichtige Sedeskirche vorhanden. Die Herren von Mihla hatten ihre Herrschaft im Ort in Abhängigkeit von den Mainzer Erzbischöfen und den Landgrafen von Thüringen errichtet und verfügten mit der Wasserburg im Ort, dem späteren Grauen Schloss, über eine stark befestigte Residenz, alles Voraussetzungen, um jüdische Kaufleute oder Bankiers anzuziehen. 

Hinzu kommt, dass jene Herren von Mihla auch über Erfahrungen im Umgang mit jüdischen Familien besaßen und vielleicht sogar über entsprechende Verbindungen verfügten. Schon im Jahre 1305 hatte Landgraf Albrecht von Thüringen die Steuereinkünfte der Juden in Mühlhausen und damit auch deren Schutz an den Ritter Heinrich von Mihla vergeben (Maike Lämmerhirt, Ebenda, S. 74.). Hier wäre bei weiteren Forschungen ebenfalls anzusetzen. Es wäre durchaus denkbar, dass der Mihlaer Ritter Heinrich durch seinen Auftrag für den Judenschutz und wegen der daraus entstehenden sicher nicht unerheblichen Einkünfte auch bemüht war, an seinem Hauptort jüdische Bürger anzusiedeln. Wie bereits festgestellt, bot Mihla damals hierfür auch durchaus günstige Voraussetzungen. 


Das Mihlaer Graue Schloss, gezeichnet vom ehemaligen Werramühlgraben, Museum im Rathaus. Im Renaissanceschloss des 16. Jahrhunderts versteckt sich baulich die alte Kemenate der Herren von Mihla, eine Wasserburg in der Niederung von Lauter und Werra. Hier hatte der Ritter Heinrich von Mihla seinen Burgsitz. Er war im Auftrag des Landgrafen zeitweise für den Schutz der jüdischen Gemeinde in Mühlhausen zuständig und versuchte wohl Anfang des 14. Jahrhunderts  auch in Mihla eine solche Gemeinde anzusiedeln. 

R. Lämmerhirt